Mit dem Fahrrad um die Welt
Heike Pirngruber von Pushbikegirl ist Globetrotterin. Das Besondere: Sie reist mit ihrem Fahrrad und nur im äußersten Notfall mit anderen Transportmitteln – auf diese Weise hat sie bisher 47.000 km zurückgelegt. Momentan ist sie auf der Baja California in Mexiko, dem insgesamt 32. Land auf ihrer aktuellen Reise.
2017 trat sie auch für das Fahrrad-Jubiläum in die Pedale und erzählt uns hier von ihren Abenteuern.
Seit wann radeln Sie mit dem Fahrrad um die Welt? Und wie kam es zu diesem Entschluss?
Ich wollte schon als Kind die Welt bereisen und träumte bereits mit etwa 20 davon, unsere wunderschöne Erde mit dem Rad zu umrunden. Doch irgendwie gab es immer einen Grund, warum ich nicht losgeradelt bin. Mit 41 war es dann soweit. „Jetzt oder nie“, dachte ich mir und es war die beste Entscheidung meines Lebens. Im Mai 2013 ging es direkt vor der Haustüre meiner Mutter in Hirschberg an der Bergstraße los.
Meine Wahl fiel auf das Fahrrad, weil es einfach genial ist. Es ist umweltfreundlich, leicht zu reparieren und man bekommt (wenn man sich für einfache Radkomponenten entscheidet) fast überall auf der Welt Ersatzteile. Außerdem bringe ich alles, was ich fürs Leben brauche, am Rad unter und kann es zur Not in öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren. Was aber am wichtigsten ist: Ich spüre den Wind und den Regen, die Kälte und die Hitze. Ich bin immer näher an allem dran. Ich bin langsam genug, um auch die Ameisen am Straßenrand krabbeln zu sehen, die Blumen zu riechen, die Vögel zu beobachten und die Kojoten heulen zu hören. Aber auch schnell genug, um eine akzeptable Distanz am Tag zu zurückzulegen. Die Leute sehen mich sofort und vor allem die Kinder sind meistens neugierig und rennen mir hinterher. Fast jeder kann erahnen, wie anstrengend es ist, ein Rad mit viel Gepäck zu fahren, daher haben die Leute oft Respekt, unterstützen mich, laden mich ein, geben mir Essen und Wasser. Oft komme ich auch in total abgelegene Ecken, in die man mit dem Auto nicht mehr fahren kann, einfach weil die Wege dafür zu schlecht sind – zur Not schiebe ich. Die Welt ist wunderschön und voller fantastischer Menschen und ich bin mittendrin – ich liebe das Leben auf der Straße!
Was haben Sie davor gemacht?
Ich bin gelernte Fotografin und ausgebildete Kamerafrau und habe viele Jahre fürs ZDF gearbeitet. Dabei bin ich viel herum gekommen. Zudem hatte ich als freie Mitarbeiterin die Möglichkeit, mir oft frei zu nehmen und nutzte diese Zeit, um die Welt auf meine Art zu bereisen. Mittlerweile bin ich in fast 90 Ländern gewesen und davon in knapp 50 Ländern mit dem Rad. Bevor ich zu meiner jetzigen Fahrradweltreise aufbrach, hatte ich also bereits Radreiseerfahrungen gesammelt, wie etwa während einer zehnmonatigen Solo-Tour durch Australien. Oder gemeinsam mit meinem damaligen Partner in Tadschikistan, Uganda oder auf Madagaskar.
Ich war schon immer Sportlerin und spielte als Kind und Jugendliche vor allem Handball und Tennis, dann war ich Judoka, später begeisterte Kletterin und Mountainbikerin.


Wie lange wollen Sie noch unterwegs sein und gibt es schon Pläne für „Danach“?
Meine Reise hat ein offenes Ende – ich liebe dieses Leben mehr als je einen anderen Lebensabschnitt zuvor. Obwohl mein Leben eigentlich nie langweilig war, hat es nun den richtigen Kick. Ich sehe im Moment keinen Grund, das zu ändern. Ich radle, so lange es mir Spaß macht, ich gesund bin, ich es einigermaßen finanzieren kann und so lange meine Eltern noch fit sind und mich daheim nicht brauchen. Dann sehe ich weiter. Ich habe keine Pläne, wieder sesshaft zu werden – ich möchte die Welt sehen und die ist groß!
Was ist für Sie das Besondere am Radfahren?
Die Kombination aus Erlebnis, Sport und der Möglichkeit, jederzeit mit Zelt und Kocher einfach loszuradeln, wohin ich möchte und dabei das Leben anderer mitzuerleben. Eingeladen zu sein und das Essen und den Schlafraum mit wildfremden Menschen zu teilen, inmitten einer total fremden Welt. Ich kann mit meiner eigenen Muskelkraft die Welt dadurch hautnah erleben, egal ob im Winter oder Sommer, egal ob in Bergregionen, in Wäldern oder in meiner Lieblingslandschaft, der Wüste. Es ist genial über die nächste Grenze zu radeln und zu sehen, wie man aufgenommen wird. Man braucht Mut, Durchhaltevermögen und Durchsetzungsvermögen, man muss sich „durchwurschteln“, sich behaupten und sich anpassen.
Es gibt auch die miesen Tage, an denen ich am liebsten alles hinschmeißen würde und mich auf den Mars beamen lassen möchte. Wenn ich etwa total durchnässt bin, mir das Essen oder Wasser ausgegangen ist, wenn ich zum tausendsten Mal die gleichen Fragen beantworte, wenn ich im Mittelpunkt stehe, oder aber auch total ignoriert werde, weil jede Kultur eben anders ist. Es ist der anstrengendste Job meines Lebens, aber der spannendste, den ich je hatte.
Wieso radelten Sie 2017 für das Fahrrad-Jubiläum um die Welt?
Ich fand die Aktion gut, um eventuell Leuten das Fahrrad als Transportmittel wieder schmackhaft zu machen. Es bietet vielleicht die Möglichkeit, dass Menschen ihr Auto öfters mal stehen lassen und stattdessen ihren Einkauf mit dem Rad tätigen oder damit ins Büro fahren. Wir hätten dadurch viel weniger Verkehr in den Städten, weniger Umweltverschmutzung, weniger kranke Leute und zudem endlich wieder weniger Lärm.
Es wäre einfach schön, wenn Kinder bei uns wieder die Möglichkeit hätten, mit dem Rad in die Schule zu fahren, zum Sportplatz oder zu ihren Freunden. So wie das in vielen anderen Ländern außerhalb der Industriestaaten der Fall ist.
Bewegung an der frischen Luft macht Spaß und glücklich und Fahrradfahren ist klasse. Daher hatte ich viel Spaß dabei, das Jubiläum zu unterstützen.
Ist das auch der Grund, weshalb Sie ihre Reise im Netz dokumentieren?
Nicht wirklich. Da ich alleine unterwegs bin, ist mein Blog eine Möglichkeit der Verarbeitung. Ich kann meine Gedanken ja nur sehr selten mit anderen teilen, da hilft es mir, sie in Form eines Tagebuchs festzuhalten. Außerdem gibt es mir die Chance, meine Fotografie zu präsentieren, die mir seit einiger Zeit wieder mehr am Herzen liegt.
Auf www.pushbikegirl.com (übrigens: Ein pushbike ist im Englischen ein Fahrrad) erzähle ich von allen Themen rund um meine Reise. Was mich dazu motiviert, was ich für Ängste habe, wo ich nachts schlafe, meine Ausrüstung, meine Erlebnisse in den einzelnen Regionen – querbeet also.
Das ist nicht immer leicht, weil ich unterwegs nur sehr unregelmäßigen Internetzugriff habe. Aber es lohnt sich, denn ich bekomme viel positives Feedback, was mir bei Frust hilft, meine Motivation wieder zu erlangen.